Die für die Jüngeren so unentbehrliche Plattform ist einerseits die blitzende Reklametafel der großen Stars und millionenschwerer Influencer, aber auch eine Fundgrube voller netter Bilder und Geschichten von jedermann. Einer der sympathischsten Instagramer aus dem Chiemgau - Tamara Schweidler aka @bergfexn - ist heute im Interview mit Malte Roeper.
Im Hauptberuf bist du Medienpädagogin, da würde viele erwarten, dass du den Kindern sagst: „Finger weg von Instagram!“
Tamara: Solche Medienpädagogen gibt es, aber die arbeiten mit Angstmacherei, das ist nicht unser Ziel. Ich arbeite bei Q3 - Quartier für Medien.Bildung.Abenteuer - als Sozialpädagogin mit Ausrichtung Medienpädagogik und unser Ziel ist es, den Kindern soviel Handwerkszeug mit zu geben, dass die das alles sinnvoll nutzen können. Und die sollen Instagram und das alles hernehmen, aber halt auch wissen, was mit ihren Daten und ihrem Content passiert, sonst sind die da blind im Netz unterwegs...
...was eigentlich eine Aufgabe der Schule wäre.
Tamara: Eigentlich schon, aber die Lehrkräfte sind, denke ich, unter den heutigen Bedingungen mit dem normalen Schulalltag ausgelastet genug. Und wir sind die Fachstelle für Südost-Oberbayern und machen Workshops mit den Schülern und gestalten das so, dass am Ende auch was dabei rauskommt.
Wer so etwas vermittelt, der muss auch einfach zur jüngeren Generation gehören so wie du. Als ich die Geschichte hier vorbereitet habe, habe ich Mal festgestellt: huch, auf Instagram gibt es einen Button für Videoanrufe. Dass ist für deine Generation Alltag, für euch sind ja emails schon wieder altmodisch. Ich lerne da also dazu. Es gibt viele negative Fakten über Social Media und die stimmen auch. Aber in der ARD Mediathek stand zum Beispiel auch eine Doku über Frauenrechtsaktivistinnen aus dem Iran, die sich auf Social Media zusammenschließen und sich gegenseitig Mut machen, um gegen diesen bescheuerten Kopftuchzwang vorzugehen. Das ist unbestreitbar eine großartige Sache. Und ich habe mit deinem Kollegen Michael Perschl gesprochen, der hat erzählt, dass du die Chiemgauer Berg-Instagramer so ein bisschen zusammengebracht hast.
Tamara: Ich habe mal so einen Bergstammtisch angefangen und da ist wirklich so eine kleine Clique entstanden, zum Teil ist die aber auch schon wieder ein bisschen auseinander gelaufen. Dabei hat sich allerdings auch ein Pärchen kennengelernt, die sind immer noch zusammen und haben jetzt ein Kind.
Großartig! Ich habe mal eine Ehe gestiftet, aber durch Vergesslichkeit. Ich war gleichzeitig mit einem Mädel und einem Freund zum Klettern verabredet und hatte das völlig vergessen. Die haben sich kennengelernt, indem sie beide nach mir gesucht haben. Die haben zwei Kinder bekommen und sind bis heute zusammen.
Tamara: Auch nicht schlecht!
Du wohnst in Lautern, das ist eine großartige Ecke, tolle Fahrradstrecke, wenn man rüberfährt Richtung Teisendorf.
Tamara: Obwohl wir kaum Radwege haben. Ich kenne hier ein paar Mädels, die mit dem Kinderwagen deswegen auf der Straße gehen müssen und das nicht so gut finden, aber andere sagen: „In Lautern leben nur Bauern, die gehen nicht spazieren.“
Es gibt auch eine Doku, wo ein Bauer sagt: „Sport ist ein Privileg der Landlosen."
Tamara: Früher war da sicher was dran.
Du lebst in Lautern mit deinem Freund, du bist also über ihn dort gelandet?
Tamara: Ich kenne ihn schon seit zwölf Jahren, er ist meine Jugendliebe und immer noch meine große Liebe, die Liebe meines Lebens - aber ich wusste bis vor sieben Jahren nicht, dass der einen Hof hat. Wir haben uns so mit vierzehn kennengelernt und er hat das immer so ein bisschen verheimlicht. Und ich habe ziemlich spät erfahren, dass die hier einen Riesenhof haben und genau davon hatte ich aber als Kind immer geträumt.
Das ist auch so eine Änderung in der Wahrnehmung des Bauernstandes, die habe ich selber mitbekommen. Ich habe einen Teil meiner Kindheit in einem Bergbauerndorf in Tirol verbringen dürfen. Als ich klein war, haben die Bauern immer zu uns und den Touristen aufgeschaut. Und im Lauf der Zeit - ich fahre da immer noch hin - hat sich das verändert. Heute ist es eher so, dass die aus der Stadt neidisch sind auf das, was die Bauern haben.
Tamara: Aber es ist schon auch eine Frage des Alters. Jetzt ist er auch total stolz auf den Hof, aber so mit vierzehn, fünfzehn findet man das noch nicht so cool.
Weil man in der Schule immer nach Stall riecht, den Geruch kriegst du ja einfach nicht los.
Tamara: Genau.
Wie kommt man auf 45 000 Follower? Das ist ja nicht nur Selfies hochladen und Schluss. Diese Zahlen fallen einem ja nicht in den Schoß.
Tamara: Niemand sagt dir, was ist richtig, was ist falsch, was postet man, was postet man nicht, wie geht man in Diskurs mit so vielen fremden Menschen? Welche Kooperationen nimmt man an, welche nicht, wieviel Geld verlangt man, es gibt da keine klaren Regeln. Und das war von mir nie geplant, das ist einfach so passiert. Du kannst den Weg gehen, dass du möglichst viel Geld machst und alle angeboteten Kooperationen - Werbepartnerschaften -, annimmst und das vielleicht sogar hauptberuflich machst. Ich habe mich für den anderen Weg entschieden, ich möchte meinen Job als Sozialpädagogin behalten, weil ich diesen Job einfach liebe...
...man muss halt Prioritäten setzen...
Tamara: ...wobei ich aber nur 24 Wochenstunden arbeite, also Teilzeit und in der anderen Zeit, in der ich Social Media mache, habe ich vorher kein Geld verdient. Aber mein Freund hat dann irgendwann gesagt, das kann nicht sein, dass du dir soviel Arbeit machst und nichts dabei rauskommt. Und nach ein paar Anfängerfehlern habe ich es hinbekommen, dass ich damit etwas dazuverdiene. Man ist am Berg, man hat eine gute Zeit, aber wenn du zum Beispiel mit einem Kamerateam etwas produzierst, musst du es als Arbeit sehen.
Klar: du bist Teil eines Wertschöpfungsvorgangs. Es wird ein Wert hergestellt und da sollten dann auch alle irgendwie entsprechend entlohnt werden. Aber nimmt es am Ende des Tages dem Berggehen nicht doch eine gewisse Lockerheit, wenn man weiß, ich hab jetzt Werbepartner und da sollte ich bald schönes Licht haben für den post, aber der Wetterbericht ist schlecht?
Tamara: Es gibt Produktionstage am Berg und es gibt private Tage am Berg. Montag und Mittwoch habe ich frei, das sind meine Produktionstage, am Wochenend produziere ich auch manchmal, aber da habe ich auch oft Eselwanderungen mit Wanderwelten Chiemgau, das ist quasi mein dritter Job, wo ich oft noch am Wochenende arbeiten muss. Sonntag ist immer der freie Tag mit meinem Freund, da gehen wir auch manchmal auf den Berg und manchmal produzieren wir auch, aber wir versuchen schon klar zu trennen, damit das nicht so ins Privatleben hineinschwappt.
Du wirkst relativ ausbalanciert mit deinen drei Jobs, als Freiberufler weiß ich, wie schwierig das ist. Und als Bauer ist dein Freund ja auch Freiberufler.
Tamara: Nein, der hat einen Vollzeitjob, 40 Stunden die Woche im Büro. Die Jungs, also mein Freund und sein Bruder, die haben beide einen Vollzeitjob, kommen um fünf heim und dann in den Stall. Alles andere am Hof passiert am Wochenende.
Der klassische Nebenerwerbsbauer-Arbeitsexzess: morgens in den Stall, den Tag in der Arbeit, abends Stall und die Ferien für die Ernte.... brutal wie eh und je. Wie weit bist du selber in der Landwirtschaft dabei?
Tamara: Als ich auf den Hof gezogen bin vor vier Jahren, habe ich stundenlang erstmal alle Kühe und Katzen gestreichelt und die Mama von meinem Freund und der Opa haben gedacht, ist die jetzt bescheuert? Vom Streicheln wird das Tier nicht satt. Und dann habe ich gemerkt, dass es richtig Spaß macht, da mitanzupacken: du siehst einfach das Ergebnis. Am Abend bist du erschöpft und dreckig und weißt, alle Tiere sind versorgt, allen Tieren geht es gut, alle Ställe sind sauber - das ist ein wahnsinnig schönes Gefühl, das gibt einem viel. Und ich glaube, dass das vielen Leuten gar nicht so bewusst ist, was das für eine schöne Arbeit ist.
Wieviel Stück Vieh habt ihr?
Tamara: Wir haben ungefähr 36 Kälber, wir machen die Aufzucht für den Nachbarhof und wenn die ihr erstes Kälbchen bekommen, gehen sie zurück und starten dort ihre "Karriere" als Milchkuh. Dann haben wir unsere Hochlandrinder für die Fleischvermarktung, das ist noch neu, da fangen wir erst nächstes Jahr mit dem Schlachten an. Vier Esel, mit denen wir die Eselwanderungen machen, zwei Ziegen, Hühner und einen Hahn.
Die Esel als Geheimwaffe, wenn die Wölfe kommen?
Tamara: Esel sind Herdenschutztiere, richtig, aber eine Schafherde haben wir ja nicht.
Arbeiten die Großeltern noch mit?
Tamara: Der Opa schaut vormittag ein bisschen mit in den Stall, aber der ist jetzt 82 und auch nicht mehr ganz so belastbar. Und der Bruder vom Opa wohnt auch hier am Hof, mit seiner kompletten Family, wir sind drei Generationen. Und der sagt oft, wann wir was machen sollten. Da ist einfach viel Erfahrung, die da weitergegeben wird. Einerseits ist es das Schöne, dass wir das Lebenswerk von jemand anderem weiterführen, andererseits - indem es Nebenerwerbslandwirtschaft ist - haben wir keinen Druck, dass wir viel Geld verdienen müssen. Und: der Hof ist schuldenfrei übergeben worden, das ist auch nicht unbedingt die Regel.
Was bist du für ein Jahrgang?
Tamara: 1994, im November werde ich achtundzwanzig.
Du hast jetzt 45 000 Follower, was ist dein Ziel? Hunderttausend?
Tamara: So viele Follower möchte ich eigentlich nicht. Am Anfang ging es nur um Berge, jetzt nehme ich auch die Landwirtschaft mit rein und regionale Lebensmittel - ich arbeite aber nur mit regionalen Firmen zusammen: Wenn ich schon Geld damit verdiene, dann möchte ich das Geld von einer regionalen Firma bekommen und das Geld hier in der Region auch wieder ausgeben. Als Influencerin ist es mir wichtig, den Leute zu zeigen, hey ich kann auch beim Metzger einkaufen und muss nicht zum Discounter. Und du musst mit deinen Followern ja auch in Diskurs gehen, mit meinen 45.000 ist das eh schon fast nicht mehr machbar. Wenn du noch mehr Follower hast, dann kommst du endgültig nicht mehr hinterher. Ich brauche nicht mehr Reichweite und ich glaube, ich habe auch die richtigen Leute als Follower. Die sind selber aus der Landwirtschaft und vorwiegend hier aus der Region sind. Ich glaube, ich hab mir, eine gute Community aufgebaut.
Du hast also den Anspruch, deine Follower auch, sagen wir, angemessen, zu bedienen und tatsächlich mit ihnen zu kommunizieren?
Tamara: Ich muss ja die Leute auch irgendwo da abholen, wo sie stehen. Wenn mir jemand schreibt, er findet es schlimm, dass die Kühe bei uns eingesperrt sind, dann muss ich ja irgendwie versuchen, in Diskurs mit dieser Person gehen. Da musst du wahnsinnig viel Zeit investieren. Ich glaube, Influencer mit einer Million Follower oder so, die hauen nur noch ihr Zeug raus, aber ich weiß nicht, wieviel Zeit tatsächlich da ist, um Fragen zu beantworten oder Nachrichten zu schreiben.
Das heißt, im Grunde empfindest du so etwas wie eine publizistische Verantwortung.
Tamara: Klar habe ich eine Verantwortung. Und weil du vorher gesagt hast, wie kann man Medienpädagogin sein und gleichzeitig...
... so war es nicht gemeint und so habe ich es auch nicht gesagt. Sondern: man würde es ganz generell nicht erwarten.
Tamara: Ach so, okay. Ich glaube einfach, ich weiß, was ich da tue. Warum soll ich eine Modemarke bewerben, nur weil sie einen Haufen Geld bieten, aber dann Vorgaben machen wollen, was ich sagen darf und was nicht? Wenn ich die Chance hab, mit einer Firma wie Bergader zusammen zu arbeiten, an die wir früher selbst Milch geliefert haben, dann ist das ein Kreislauf, der mir einfach wichtiger ist.
Ich habe dazu gelernt, vielen Dank!
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Malte Roeper
Autor und Regisseur
Wahl-Chiemgauer Malte Roeper, Jahrgang 1962, dreht Bergfilme mit Kletterlegenden wie den Huberbuam, Tommy Caldwell und Adam Ondra