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Interview Bernd Ritschel: Bergfotograf (Malte Roeper)

1963 Wolfratshausen geboren, lebt mit seiner Familie in Kochel am See. Gut 90 Fernreisen führten ihn in fast alle Gebirge dieser Erde, er arbeitete an Gipfeln über siebentausend Meter, in der Arktis sowie an tropische Bergen im Regenwald. Über 30 Bildbände, 5 Lehrbücher/Führer, zahlreiche Kalender, Ausstellungen und Veröffentlichungen in fast allen großen deutschsprachigen Magazinen.

Deutschlands erfolgreichster Bergfotograf Bernd Ritschel und ich haben mal ein Buch zusammen gemacht, uns aus den Augen verloren, aber irgendwann die Freundschaft erneuert. Seit ein paar Jahren sind wir wieder regelmäßig zusammen unterwegs. Er lebt mit seiner Familie in Kochel am See.

Am ersten Advent 2020 haben wir mit der gesammelten Erfahrung von Dutzenden Expeditionen und Winterbegehungen gemeinsam den Hochfelln bestiegen und jämmerlich gefroren...

Wie hast du unsere Tour auf den Hochfelln in Erinnerung - jetzt, ein dreiviertel Jahr später? Wir hatten unterschätzt, wie kalt es durch den Wind sein würde, das war ja ein richtiger Föhnsturm.
BERND: Großartig! Leider deutlich kälter als gedacht, aber dieses Licht und die Stimmung, das hat für alles belohnt. So emotionale Momente suche ich ja immer als Fotograf, dermaßen genial erwische ich sie aber nur selten.

Aber ich weiß noch, wie begeistert du warst. Was waren die Weichenstellungen in jungen Jahren, dass du das mit Ende fünfzig unter so widrigen Bedingungen so genießen konntest? Die meisten Leute wären bei der Kälte einfach wieder abgestiegen.
BERND: Was mich wirklich geprägt hat, waren die Tagen im Hochgebirge, wo du als junger Kerl halt immer ans Limit bist. Zum Wandern bin ich nur, wenn es um ein Mädel ging, um sie rumzukriegen und sobald ich mit einer zusammen war, bin ich mit meinen Kumpels wieder in die extremen Sachen gegangen.... (grinst) Aber diese große Touren, mit den Strapazen und der Angst und all dem, die haben mich geprägt: ich bin eigentlich immer bereit, mich voll reinzuhauen, die Belohnung ist dann ja meistens auch wahnsinnig groß, das Glücksgefühl hinterher. Ich bin dadurch aber auch bereit, mich in eine Beziehung voll reinzuhauen, mit meiner Ela gehe ich jetzt seit
fast dreißig Jahren durch dick und dünn.

Du hast ursprünglich Maschinenbau gelernt, das war ja eigentlich nicht so kreative Richtung.
BERND: Mein Vater hatte von mir verlangt, zuerst eine „solide“ Ausbildung zu machen und das war auch gut so, da hab ich einiges mitgenommen, eine Form von systematischem Vorgehen plus eine Form von Ausdauer, wie man sie am Berg nicht direkt lernt. Alles Geld, was übrig blieb, ging direkt ins Kameraequipment. Und dann: Expedition gemacht, Bericht verkauft, nächste Expedition. Ich war ziemlich ruhelos, es gab immer so viel zu erleben. Bei Udo Lindenberg gibt es so eine Zeile: Das Leben bestand ausschließlich aus Sensationen, so war es lange und so sollte es auch immer weitergehen.

Heute erlebt man dich ja eher als einen reichlich gelassenen Menschen -
BERND: So banal es sich anhören mag: die Geburt unserer Tochter im Jahr 2003 war der Wendepunkt, mich mehr aufs Hier und Jetzt einzulassen. Ich war weiter extrem viel unterwegs - ich musste und muss uns drei ja auch ernähren -, aber ich hab dann umgestellt, also zuerst weniger und schließlich kaum noch Expeditionen. Ich war auf einige Achtausender-Expeditionen von Gerlinde Kaltenbrunner eingeladen, das habe ich am Ende aber nur einmal gemacht. Wenn du im Hochgebirge fotografieren willst, reicht es nicht, wenn du bergsteigerisch dieses Gelände beherrschst. Wenn du dort arbeiten willst, musst du DRÜBER stehen und zwar richtig solide drüber, so wie etwa ein Bergführer auch drüberstehen muss, sonst kannst du da nicht ARBEITEN. Als Bergsteiger war ich da noch okay unterwegs, als Fotograf wollte ich das nicht mehr riskieren.

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Und dann: zurück in die Alpen, zurück zu den Wurzeln?
BERND: Ganz genau. Ich hab wieder Bildbände gemacht, unter anderem den über das Schrumpfen der Alpengletscher: über diese Gletscher bin ich als junger Bursche rauf und runtermarschiert und die waren immer gefährlich - jetzt sind sie selbst gefährdet, das wollte ich unbedingt dokumentieren. Und nach Lockdown war erstmal heilfroh, dass ich wirtschaftlich irgendwie überleben würde, danach kam ein wahnsinniger Aufschwung, weil die Alpen jetzt so sehr im Fokus stehen. Man bietet mir Tagessätze, die hätte ich vor drei Jahren nicht zu verlangen getraut und ich kann nicht einmal alles annehmen. Im Lockdown hatte ich ganz schön Panik, wie es überhaupt weitergeht, aber am Ende haben sich in der Pause aber auch die Akkus wieder gut aufgeladen. Die alte Begeisterung ist jedenfalls zurück, im letzten halben Jahr hatte ich genau vier frei Tage.

Wie kam es zu dem Projekt mit Felix Neureuther?
BERND: Ganz einfach: Felix hat zum Verlag gesagt, er will den besten
Fotografen für dieses Buch - Bernd Ritschel. Cool, oder?

Absolut! Könnte aber auch die Basis für eine gute Zusammenarbeit gewesen sein
BERND: War es auch. Mit dem Felix hatte ich richtig intensive gemeinsame Erlebnisse. Schwierig war manchmal dieser Riesenapparat drumherum, den du halt hast, wenn dein Model so irre berühmt ist. Es ist ja dazu noch ein Film gedreht worden, parallel. Dann war da die Filmcrew, ich als Fotograf, dann manchmal noch ein zweites Filmteam,
das mich beim Fotografieren gefilmt hat - fürs Making of. Plus die Leute von irgendwelchen Agenturen seiner Sponsoren, einmal waren es über vierzig Personen! Am Berg! So einen Haufen Leute musst du dann über irgendeinen Aufnahmeleiter ganz straff organisieren, Folge: Arbeitsbeginn neun Uhr, 17 Uhr Feierabend. Das beste Licht im Sommer hast du aber um fünf Uhr früh und abends um acht. Da saßen dann alle beim Essen oder lagen noch im Bett, aber so war es gottseidank nur selten. Und wir hatten ein so gutes Budget, dass links und rechts von diesen Riesentagen genug Zeit war, um so zu fotografieren wie ich es immer tue.

Worum geht es in dem Buch? Felix Neureuther als Bergsteiger?
BERND: Um Naturschutz! Der Felix ist einer erfolgreichsten deutschen Skiläufer aller Zeiten, aber mittlerweile ist er viel bekannter dafür, dass er wirklich weit über den Tellerrand hinausschaut. Er hat dieses Buch angestoßen, um den Naturschutz in den Alpen anzuschieben und zu unterstützen. Er hat ganz klar seinen Bekanntheitsgrad als Werkzeug für einen guten Zweck eingesetzt. Und dadurch war es tatsächlich ein
besonderes Projekt, bei dem alle ständig ihr Bestes gegeben haben, auch wenn manchmal ein paar Personen zu viel dabei waren. Gibt es einen nachhaltigen Skitourismus und wie müsste der aussehen? Das ist zum Beispiel eine Frage, die ihn wirklich umtreibt. Um solche Themen geht es in dem Buch.

Ein Blick in die Zukunft: wie willst du es angehen in den nächsten Jahren?
BERND: Ich habe Anfragen in ganz neue Richtungen, aber ich werde erstens ganz sicher den Alpen treu bleiben, zweitens eher weniger als mehr arbeiten, drittens mehr privat in die Berge gehen. Am liebsten, das darf ich ja kaum zugeben, gehe ich ohne großes Equipment in die Berge, nur mit kleiner Kamera, um einfach zu erleben, was auf mich
zukommt.

Das Gespräch führte Malte Roeper.

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Tags: Interview

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